ÖPNV und demografischer Wandel
Zukunft der Mobilitätskette - das Fahrrad als Scharnier

Projektziel war die Analyse der Nutzungsarten des Umweltverbunds (ÖPNV, Fuß- und Radverkehr) im Großraum Braunschweig und ihrer Voraussetzungen. Der Schwerpunkt lag auf den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Erreichbarkeitsinfrastruktur.
Für den Großraum Braunschweig ist eine bundesweit typische disparate Entwicklung kennzeichnend: Die Region ist mit einem Bevölkerungsrückgang und Alterungsprozess in peripheren Räumen bei einem gleichzeitigen Zustrom von jüngeren und mobileren Bevölkerungsgruppen in städtische Regionen konfrontiert. Durch zurückgehende Fahrgastzahlen in den peripheren Räumen ist der ÖPNV teilweise nicht mehr im Stande, das Beförderungsangebot aufrecht zu erhalten. Die sich verstärkende Disparität zwischen Kreisen, die mit Bevölkerungsschwund bzw. -zuwachs umzugehen haben, kann im Großraum Braunschweig exemplarisch beobachtet werden. Für die Region bedeutet dieser Prozess potenzielle Einbußen hinsichtlich der Attraktivität als Wirtschafts- und Lebensstandort. Um die Mobilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aller zu unterstützen, kann eine Stärkung des Umweltverbunds, insbesondere des Fahrradanteils, einen wichtigen Beitrag leisten. Im Rahmen des Projekts wurden zunächst die vorhandenen Mobilitätsmuster (Alltags-, Freizeit- und Besorgungsmobilität) und mit deren inter- und multimodalen Anteilen identifiziert. Davon ausgehend konnten Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie hoch die Bereitschaft zu einer stärkeren Integration des Umweltverbunds bzw. Fahrrads in den Alltag ist und von welchen objektiven wie subjektiven Voraussetzungen diese abhängt. Dabei wurde speziell auf die sozialräumliche Situation und die Bedürfnisse von älteren Menschen eingegangen. Abschließend wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die insbesondere auch Anreize gegenüber einem veränderten Mobilitätsverhalten thematisieren.
In der Explorationsphase wurden Erkenntnisse darüber gewonnen, zu welchen Anlässen und für welche Strecken Personen das Fahrrad nutzen, wie das Mobilitätsverhalten mit biografischen Lebensumständen und Alter variiert, welche subjektiven Gründe sie davon abhalten, häufiger das Rad zu nutzen und welche Defizite sie infrastrukturell wahrnehmen.
Eine Nutzertagebuchstudie, an der unterschiedliche Altersgruppen aus städtischen und ländlichen Räumen teilnahmen, gab einen detaillierten Einblick in den Mobilitätsalltag der Personen. Parallel dazu untersuchte eine explorativ-quantitative Vorstudie das Ausmaß der Nutzung des Umweltverbunds bzw. Fahrrads durch verschiedene Altersgruppen. Die anschließende Ergebniszusammenführung diente der Vorbereitung der Haupterhebungsphase. Die Haupterhebung folgte einem Mixed Methods Design und kombinierte qualitative Leitfadeninterviews mit einer für die Region repräsentativen quantitativen Erhebung. Das Ziel war eine inhaltlich vertiefte und alle Bevölkerungsgruppen umfassende Analyse der Kombinationsmuster von Fuß- und Fahrradverkehr mit dem ÖPNV in der Region. Nach Auswertung der Befunde wurden die zentralen Ergebnisse und Folgerungen in Form von qualitativen Experteninterviews mit Entscheidungsträgern der Region diskutiert. Auf dieser Basis wurden Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung einer bedarfsgerechten Radverkehrsinfrastruktur in Kombination mit einem zukunftsträchtigen ÖPNV abgeleitet.
Viele durchgeführte Projekte haben sich exklusiv mit der Stärkung und Koordination des Umweltverbunds auf der städtischen Ebene befasst. Die parallele Betrachtung des urbanen und ländlichen Raumes im Kontext des demografischen Wandels auf der empirischen Grundlage einer integrierten qualitativen und quantitativen Forschungsmethodologie ist ein spezifisches Charakteristikum dieses Projekts. Auf dieser Basis konnte der bisherige empirische Kenntnisstand über altersspezifische Mobilitätsmuster erweitert und die bestehenden Potenziale und Defizite des Umweltverbunds, nach urbanen und peripheren Kontexten differenziert, herausgearbeitet werden.Zudem konnten die damit verbundenen heterogenen Lebenslagen der Bevölkerung systematisch expliziert werden. Konkret können die abgeleiteten Erfordernisse für eine bessere Vereinbarkeit von ÖPNV und Fuß- bzw. Radverkehr Auskunft darüber geben, wie der Umweltverbund in Abhängigkeit von altersspezifischen und biografischen Faktoren sowie den räumlichen Gegebenheiten in das individuelle Mobilitätsverhalten integriert werden kann. Die Projektergebnisse zeigen Wege auf, Mobilität im ländlichen Raum für alle Altersgruppen zu sichern. Sie können letztlich einen Beitrag dazu leisten, dass vom demografischen Wandel betroffene Regionen den Herausforderungen besser entgegentreten können. Indem das geplante Projekt die Bedingungen der Ausgestaltung eines bedarfs- und altersgerechten, leistungsfähigen und an tatsächliche Mobilitätsbedürfnisse angepassten Nahverkehrssystems, das eine verstärkte Fahrradnutzung integriert, herausarbeitete, schafft es eine Grundlage für die praktische Umsetzung von Mobilitätskonzepten.
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