Sichere Mobilität für Fußgänger- und Radfahrer/innen bei mehr Aufenthaltsqualität auf den Kölner Ringen
#RingFrei

Einleitung
Das Aktionsbündnis #RingFrei gründete sich im Vor- und Umfeld der Demonstration "Stoppt das Töten von Radfahrern", zu der am 7. Oktober 2015 alle Kölner Radverkehrsverbände und -gruppen sowie die Kölner Grünen und die damalige Ratsgruppe "Deine Freunde" aufriefen.
Vorausgegangen war eine Woche tragischer Unfälle durch rechtsabbiegende LKW. Eine Radfahrerin wurde dabei getötet, eine weitere kam, nachdem sie ein Lastwagen an den Kölner Ringen erfasste, mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus. Zudem wurden weitere Radfahrer und eine Fußgängerin verletzt. Eine wesentliche Ursache waren gestörte Sichtbeziehungen, die sich u.a. aus der Führung der Radwege ergaben.
Durchführung
Aufgrund der unzumutbaren Radwege an den Ringen und der damit einhergehenden Gefahr des nicht Gesehenwerdens, wurde im Beschwerdeausschuss der Stadt angeregt, die Radfahrenden dadurch in das Blickfeld der Autofahrenden zu bringen, indem sie auf einen exklusiven Fahrradstreifen auf der jeweils rechten Autospur bei Tempo 30 geführt werden sollen. Gleichzeitig wurde eine Online-Petition gestartet, die aus dem Stand heraus über 300 Unterstützer/innen fand. Über 2000 Menschen unterzeichneten diese Eingabe.
Am 26. Oktober 2015 wurde mit Radfahrenden, Anwohner/innen und Politker/innen auf der ersten öffentlichen #RingFrei-Veranstaltung ein "10-Punkte-Plan" erarbeitet, der die Forderungen der Online-Petition konkretisierte. Über Pressemitteilungen des ADFC und VCD wurde der "10-Punkte-Plan" kommuniziert und fand ein breites mediales Echo. Folgende Forderungen wurden gestellt:
- Die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht an den Kölner Ringen muss sofort und ohne weitere Verzögerung umgesetzt werden. Dazu sind zunächst, außer dem Entfernen der Schilder (in der Regel VZ 237), keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
- Es soll auf allen Spuren und in voller Länge der Ringe Tempo 30 gelten. Tempo 50 oder ein 30/50 Mix sind inakzeptabel.
- Es wird eine verständliche, durchgängige und einheitliche Radverkehrsführung über die gesamten Ringe benötigt.
- Es soll eine volle Fahrspur (3,75 m Breite) pro Richtung für den Radverkehr bereitgestellt werden. Auch an Engstellen müssen netto mind. 2,75 m Breite zur Verfügung stehen.
- Die Radspur benötigt eine deutliche Markierung. Der bisherige Kölner Standard reicht hier nicht aus.
- Die Schaltung der Lichtsignalanlagen muss für den Radverkehr optimiert werden. Eine grüne Welle ist erstrebenswert.
- Ein vollständiger Rückbau der alten Radwege ist erforderlich. Der Platz soll dem Fußverkehr sowie einer erweiterten Gastronomie und unkommerziellen Sitzbereichen zur Verfügung gestellt werden.
- Die Parkplätze an den Ringen sollen in großzügige Ladezonen sowie in Taxistände und Fahrradparkplätze umgewandelt werden. Parkraum für den Motorisierten Individualverkehr steht in den umliegenden Parkhäusern ausreichend zur Verfügung.
- Es wird vor allem in der Anfangszeit eine intensive Kontrolle, sowohl der Ladezonen als auch des Haltens und Parkens in zweiter Reihe, durch das Ordnungsamt erforderlich sein.
- Die Veränderung muss von einer breit angelegten Kampagne "Radfahren ist Verkehr" begleitet werden.
Das Sprecherteam um Reinhold Goss, Initiator von #Ringfrei, wurde zudem von Carolin Ohlwein aus dem Vorstand des ADFC Köln und dem heutigen "Handelskümmerer" Hans-Günter Grawe unterstützt. Das Bündnis operiert ehrenamtlich und schöpft aus einem "übersichtlichen" Spendenaufkommen. Mindestens ideell unterstützen #RingFrei die Kölner Verbände von: ADFC, AGORA, Greenpeace, VCD sowie die Vereine und Initiativen: Anzeigen-Flashmob, Colabor, Farad-gang, Grüngürtel für Alle!, KölnAgenda, Neuland, RADKOMM, Fahrrad-Sternfahrt zudem das Studierendenparlament der Universität und der Händlerzusammenschluss stylemile.cologne.
Seitdem machen Radfahrende und der Einzelhandel offen gemeinsame Sache, um eine sichere Mobilität bei höherer Aufenthaltsqualität – auch mit Blick auf das existenzielle "Laden und Liefern" – zu entwickeln. Eine neue und nicht so übliche Allianz, die sich in der Folge in weiteren Unterstützer/innentreffen immer wieder rückkoppelte.
#RingFrei kam sehr schnell und direkt in der Kommunalpolitik an und das unterstützte maßgeblich einen überfraktionellen Eilantrag mit dem Kernauftrag: Die Verwaltung soll die Radwegebenutzungspflicht grundsätzlich aufheben, dies schnellstmöglich für die Kölner Ringe. Der einstimmige Beschluss erging 21 Tage nach Start der Online-Petition, was ein erster kleiner Erfolg war.
Doch die Verwaltung dämpfte die Erwartungen und damit lag es auf der Hand: Der "10-Punkte-Plan" musste wesentlich stärker in den öffentlichen Fokus und in die Debatte gerückt werden.
- So wurde kurzfristig der Film "Bikes vs Cars" am 16. Dezember 2015 mit Unterstützung des Verleihers gezeigt. Dem schloss sich eine Diskussionsrunde an mit Heike Aghte von der Europäischen Gesellschaft für Entschleunigung, dem stellvertretenden Geschäftsführer der IHK Dr. Ulrich Soénius, dem Unternehmer und ADFC-Vorstand Christoph Schmidt und Hans-Günter Grawe. Es moderierte der Redakteur Helmut Frangenberg vom Kölner Stadtanzeiger.
- Diese Veranstaltung ließ dann überraschend schnell die Verwaltung reagieren, denn nur einen Tag später kündigte der Leiter des Straßen- und Verkehrsamtes Klaus Harzendorf die Aufhebung der Benutzungspflicht an den Ringen bis Ende 2016 an!
- Allerdings wurde diese Zusage relativiert. Und so wurde die Öffentlichkeitsarbeit u.a. durch Ortstermine und Plakataktionen intensiviert; man stellte sich Parteien und Arbeitskreisen sowie in Vorträgen der Öffentlichkeit. Eine breite, selbst überregionale Berichterstattung war die Folge und #RingFrei wurde Teil des neuen Radverkehrskonzepts Innenstadt.
- In einem Workshopverfahren unter Beteiligung von Politik, Verwaltung (Team des Fahrradbeauftragten, Amtsleiter und im Verlauf auch die Dezernentin), Ordnungsamt, Polizei, IHK, ADFC, VCD und #RingFrei wurde eine dreistufige Umsetzung erarbeitet. In Stufe 1 wurden zunächst im nördlichen Teil der Ringe 16 Ampelanlagen ausgetauscht, die Benutzungspflicht aufgehoben und Tempo 30 angeordnet.
- Große Beachtung fand die breit gestützte Aktion "Wir machen den #RingFrei" am 17. September 2017, die an einem Samstag für sechs Stunden auf knapp einem Kilometer sehr anschaulich zeigte, wie man sich die Ringe mit einer exklusiven Radspur vorstellen kann.
- Im Dezember 2017 wurden im Rahmen eines Workshops weitere Eckpunkte beschlossen und der Weg für die zweite Umsetzungsstufe geebnet: Durchgängig Tempo 30, ein 300 Meter langer Verkehrsversuch (Pilotstrecke) sowie zwei weitere Abschnitte.
- Im Juni 2018 wurde daraufhin der erste vollständig umgesetzte Abschnitt am Theodor-Heuss-Ring freigegeben und im Oktober folgte die Pilotstrecke am Hohenstaufenring.
- Ende März 2019 wurde ein Abschnitt am Sachsenring fertig, der aufgrund fehlenden politischen Willens auf einem Teilstück einen sehr schmalen Schutzstreifen aufweist.
- Im April 2019, drei Jahre nach dem politischen Beschluss des Workshops, stellte die Stadt die dritte Umsetzungsstufe vor, die den "10-Punkte-Plan" bis 2020 weitgehend umsetzen soll.
- Für die Vorbereitung der dafür notwendigen Beschlüsse unternahm die Initiative mit allen verkehrspolitischen Sprecher/innen auf Bezirks- und Ratsebene sowie den Vertreter/innen von ADAC, ADFC, VCD und IHK eine Befahrung der Gesamtstrecke Ende April. Ziel war es, hiermit nicht nur die Vorlage zu unterstützen, sondern auch Änderungsbeschlüsse zu erwirken, die sicherstellen, dass auch kritische Abschnitte mit einer in dem "10-Punkte-Plan" festgelegten Radverkehrsführung ausgelegt werden. In die Bezirksvertretung wurde daraufhin eine von fast allen Fraktionen getragene Empfehlung eingebracht, welche von allen so abgestimmt wurde. Eine derartige breite Zustimmung über Parteigrenzen hinweg, stellt sicherlich ein Novum da. Gleichwohl sah die Verwaltung kaum Spielraum diese Änderungen umzusetzen. Dennoch hatte die Verwaltung Bedenken bezüglich der Umsetzbarkeit, so dass ein weiterer Abstimmungstermin einberaumt werden musste. Vertreter/innen der Initiative, der Verwaltung und der Ratsfraktionen setzten sich nochmals zusammen und erarbeiteten einen sehr guten Kompromiss. Dieser stellt sicher, dass in weiten Teilen der 10-Punkte-Plan bereits 2020 umgesetzt werden kann. Dieses Ergebnis wurde am 9. Juli 2019 mit nur einer Gegenstimme im Verkehrsausschuss des Rates beschlossen. Die vollständige Umsetzung rückt der #RingFrei-Idee tatsächlich immer näher!
#RingFrei erhielt dafür den Deutschen Fahrradpreis 2019 in der Sparte Kommunikation.
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