Abstellverbot in der Fußgängerzone
Regelung des Fahrradparkens in sensiblen Teilbereichen zum Schutz des Fußverkehrs

Der Fahrradboom führt dazu, dass die in großer Zahl im Innenstadtbereich abgestellten Räder als Mengenproblem zur Behinderung von Fußgängern führen. Neben neuem Parkraum für Fahrräder werden so zunehmend Instrumente zur Regulierung des Radparkens an Brennpunkten diskutiert.
In ganz Deutschland und auch im Ausland genießt Freiburg den Ruf einer Vorreiterstadt beim Radverkehr. Fast 30% der Verkehrswege werden mit dem Rad zurückgelegt. Tag für Tag fahren 35.000 Radler durch die Innenstadt. Insbesondere an den zentralen Plätzen werden infolgedessen große Mengen an Fahrrädern abgestellt. Somit sehen sich Städte wie Freiburg als erste deutsche Kommunen mit planerischen Herausforderungen konfrontiert, die bislang nur in niederländischen und dänischen "Fahrradmetropolen" bekannt sind. Freiburg setzt deshalb neue Regelungen des Fahrradparkens in der Innenstadt um, die das Bereitstellen von alternativen Abstellmöglichkeiten und Parkverbote kombinieren. Dies wird nicht einfach nur angeordnet, sondern durchläuft das demokratische Abwägungsverfahren eines Bebauungsplans mit Bürgerbeteiligung.
Ausgangssituation und Projektziel
Problembeschreibung
Die Freiburger Altstadt mit ihrer Ausdehnung von ca. 700 x 700 Metern ist seit dem Jahr 1973 größtenteils als Fußgängerzone ausgewiesen (z.T. Lieferverkehr oder Anlieger frei). Diese erfreut sich sehr großer Beliebtheit und weist entsprechend hohe Fußverkehrsfrequenzen auf. Im zentralen Bereich der Fußgängerzone rund um die Kreuzung am Bertoldsbrunnen wurden im Laufe der Zeit zunehmend Fahrräder ungeordnet abgestellt. Da der Platz ein wichtiger Umsteigeknoten mehrerer Stadtbahnlinien ist, wurde der Fußgängerverkehr erheblich gestört und oftmals große Teile der Kreuzungsseitenbereiche blockiert. Der direkte Weg war oft versperrt, so dass Fußgänger/innen einen Umweg durch die Arkaden der Geschäftshäuser (z.T. mit Stufen) oder über die Straßenbahngleise mit dichtem Straßenbahnverkehr in Kauf nehmen mussten.
Dies war mit Einschränkungen und Gefährdungen - insbesondere für mobilitätseingeschränkte Menschen - verbunden. Immer wieder kam es deshalb zu Protesten aus der Bürgerschaft und von Geschäftsleuten. Zudem wurde der Gleiskörper der Stadtbahn durch umgefallene Räder blockiert. Ziel der im Folgenden beschriebenen Maßnahmen war es, diese Störungen des Fußverkehrs zu beseitigen.
Rechtslage
Das Abstellen von Fahrrädern ist in Fußgängerzonen grundsätzlich erlaubt, unabhängig davon, ob dort Rad gefahren werden darf oder nicht - das Rad kann ja zum Abstellplatz geschoben werden. Ein Parkverbot für Fahrräder kann straßenverkehrsrechtlich nicht angeordnet werden, da dies in der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorgesehen ist. Dies wurde auch durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt. Entfernt werden können auf Basis der StVO nur Räder, die den Durchgang behindern (StVO §1 (2): "Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird").
Eine Verletzung dieser Regel war am Bertoldsbrunnen in der Regel nicht gegeben, da selbst bei einer großen Menge abgestellter Räder der Durchgang unter oder vor den Arkaden möglich war, ebenso über die Straßenbahntrasse, die ja auch Teil der Fußgängerzone ist. Entfernt werden konnten nur im Einzelfall jene Räder, die den Durchgang für Fußgänger oder eine Durchfahrt der Stadtbahn komplett verhinderten. Das Abstellen von Fahrrädern rief also störende Umwege für Fußgänger hervor und war gestalterisch unschön, rechtlich aber nicht zu beanstanden. Handlungsmöglichkeiten zur Entfernung der zwar störenden, aber in der Regel nicht als "behindernd" einzustufenden Räder gab es nicht.
Projektbeschreibung
Das folgende Verfahren wurde unter Federführung des Garten- und Tiefbauamtes als Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträger in enger Abstimmung mit dem städtischen Rechtsamt (rechtliche Fragen), dem Stadtplanungsamt (Änderung Bebauungsplan) und dem Amt für öffentliche Ordnung (Gemeindevollzugsdienst, Kontrolle und Kennzeichnung der Räder) entwickelt und umgesetzt.
1. Stufe: Versuch sanfter Maßnahmen
Um das störende Fahrradparken zu reduzieren, wurde seit Anfang 2005 über Hinweisschilder, Presseberichte und Banderolen an den Rädern auf das Problem hingewiesen. Bis zum Sommer 2006 wurden im Umfeld des Bertoldsbrunnens 170 zusätzliche Radabstellplätze an Anlehnbügeln geschaffen und darüber hinaus zahlreiche Vorderradklammern durch Anlehnbügel ersetzt. Es hat sich aber keine nachhaltige Besserung der Situation an diesem Platz ergeben.
2. Stufe: Änderung des Bebauungsplanes
Da die "sanften" Maßnahmen keine Entlastung bewirkt haben, wurde ab September 2007 das Abstellen von Fahrrädern verboten, um den Fußverkehr nachhaltig vor Beeinträchtigungen zu schützen. Ein Radabstellverbot war allerdings wie oben beschrieben nicht über die Straßenverkehrsordnung möglich, sondern nur durch die Beschränkung des Gemeingebrauchs.
Im fraglichen Bereich besteht ein Bebauungsplan, in dem zur Einrichtung der Fußgängerzone 1973 der Gemeingebrauch auf den Fußgängerverkehr beschränkt wurde. Durch eine Änderung des Bebauungsplans wurde diese Festsetzung weiter eingeschränkt und das Radabstellen verboten. Der Bebauungsplan enthielt die textliche Festsetzung: "Der Gemeingebrauch an sämtlichen Verkehrsflächen des Bebauungsplans wird auf den Fußgängerverkehr beschränkt. In der Kaiser-Joseph-Straße und der Bertold-/Salzstraße wird der Fahrverkehr der Straßenbahn und der Omnibusse im innerstädtischen Linienverkehr zugelassen." Der Gemeingebrauch des Fußgängerverkehrs umfasst prinzipiell auch das Schieben und Abstellen von Gegenständen, wie z.B. Fahrrädern. Erst das Fahren mit dem Fahrrad macht dieses zu einem Verkehrsmittel im Sinne der StVO, so dass dort auch nur das Radfahren im engeren Sinne geregelt werden kann. Das Abstellen von Fahrrädern musste folglich explizit vom Gemeingebrauch ausgenommen werden. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB gibt die Grundlage dafür, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern in einem Bebauungsplan festzusetzen. Im Umkehrschluss ist es somit auch zulässig, in einem Bebauungsplan das Abstellen von Fahrrädern vom Gemeingebrauch auszuschließen. Es wurde daher zusätzlich die folgende textliche Festsetzung in den Bebauungsplan aufgenommen: "Im Geltungsbereich ... ist das Abstellen von Fahrrädern nicht gestattet." Das Radabstellverbot wurde auf den besonders stark vom Fußverkehr frequentierten Bereich um den Bertoldsbrunnen (ca. 100 x 200m) beschränkt.
Wenn es in dem Gebiet keinen Bebauungsplan gegeben hätte, wäre das Radabstellverbot eventuell (eine nähere Prüfung war noch nicht erfolgt) mit einem straßenrechtlichen Teileinziehungsverfahren (Entwidmung) umgesetzt worden.
Begleitende Maßnahmen
Die Freiburger Altstadt soll selbstverständlich auch weiterhin gut mit dem Rad erreichbar sein. Zur Kompensation des Radabstellverbotes wurde deshalb das Abstellangebot im Umfeld des Bertoldsbrunnens weiter ausgebaut. Mit über 300 zusätzlich geschaffenen Abstellplätzen an Bügeln wurde der Wegfall der Abstellfläche für die bislang rund 60 bis 80 am Bertoldsbrunnen frei abgestellten Räder mehr als ausgeglichen. Insgesamt gibt es derzeit in der Freiburger Innenstadt (Ausdehnung ca. 1.000 x 1.000m) über 5.000 Radabstellplätze, dazu weitere 1.000 Radabstellplätze in der Fahrradstation in der Mobilitätszentrale "mobile" am Hauptbahnhof.
Umsetzung des Radabstellverbots
Nach der Rechtskraft der Bebauungsplanänderung wurden der Bereich des Abstellverbotes mit Zusatzzeichen zum Verkehrszeichen 242 ("Fußgängerzone") mit dem Text "Fahrräder Abstellen verboten" gekennzeichnet. Außerdem wurden Hinweisschilder aufgehängt, die das Radabstellverbot und die Konsequenzen der Missachtung (Entfernung, Abholung, Kosten etc.) darstellen. Darüber hinaus wurde sowohl über die Presse als auch über auffällige Plakate vor Ort über das Verbot informiert.
Für die Wirksamkeit des Radabstellverbotes ist ein konsequenter Vollzug nötig. Wegen der fehlenden Kennzeichen an den Fahrrädern ist eine Ermittlung der Verantwortlichen in der Regel nicht möglich, so dass eine Verfügung zum Entfernen des Fahrrads sowie die Erhebung eines Bußgelds vor Ort i.d.R. nicht erfolgen können. Deshalb werden verbotswidrig abgestellte Räder im Wege der unmittelbaren Ausführung anstelle der an sich Verantwortlichen durch die Stadt bzw. einen beauftragten Verwaltungshelfer entfernt. Bevor dies erfolgt wird mit einer Banderole am Fahrrad auf die bevorstehende Entfernung hingewiesen. Die Räder werden dann per LKW in einen abschließbaren Bereich der Fahrradstation in der Mobilitätszentrale "mobile" gebracht, dort verwahrt und gegen Erstattung der Entfernungskosten und Verwahrungskosten herausgegeben. Der weitaus größte Teil der Räder am Bertoldsbrunnen ist nicht an einem festen Gegenstand angeschlossen und kann direkt entfernt werden, bei angeschlossenen Rädern wird das Schloss aufgebrochen.
Nicht abgeholte Räder werden nach einer Aufbewahrungsfrist veräußert bzw. verschrottet. Die Kontrollen werden durch den Gemeindevollzugsdienst durchgeführt; dieser kennzeichnet die zu entfernenden Räder mit einer Banderole. Die Entfernung, Verwahrung und Herausgabe der Räder einschließlich der Kostenerhebung sowie die Vorbereitung sich anschließender Verfahrensschritte wurde an die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) übertragen, die ihrerseits die Fahrradstation in der städtischen Mobilitätszentrale "mobile" mit der Verwahrung und Herausgabe beauftragte.
Kosten/Gebühren
Pro entferntes Rad entstehen durchschnittliche Entfernungs- und Transportkosten zwischen 19,- und 29,- Euro (je nach Anzahl der entfernten Räder, alle Angaben gerundet). Dazu kommt eine Verwaltungsgebühr von 16,50 Euro für die Aufbewahrung und Herausgabe der Räder. Bei der Abholung wird eine kostendeckende Gebühr in gleicher Höhe erhoben, also insgesamt zwischen 35,- und 46,- Euro. Widersprüche werden separat mit einer entsprechenden Gebühr abgegolten.
Bilanz
In der Zeit unmittelbar nach Erlass des Verbotes wurden ca. 140 Räder entfernt. Die Anzahl der abgestellten Räder hat seitdem stark abgenommen und war mehrere Jahre unauffällig gering, Räder wurden nicht mehr entfernt. Durch den Gemeindevollzugsdienst werden weiterhin regelmäßige Kontrollen durchgeführt. Im Oktober 2010 wurden aufgrund vermehrt abgestellter Räder wieder Banderolen verteilt und Entfernungsaktionen in der Presse angekündigt. Tatsächlich entfernt werden mussten dann aber lediglich 14 Räder. Eine richterliche Überprüfung der Vorgehensweise erfolgte bislang nicht.
Insgesamt ist das Radabstellverbot entsprechend der Zielsetzung -
Sicherung der Leichtigkeit und Sicherheit des Fußverkehrs - sehr
erfolgreich. Die klare Durchsetzung der berechtigten Interessen des
Fußverkehrs hat auch dazu beigetragen, ein möglichst entspanntes
Verhältnis zwischen Fußgängern und Radfahrern zu sichern. Auch aus
Sicht des Radverkehrs hat das Projekt nicht zu unangemessenen
Beeinträchtigungen geführt, sondern durch die Ausweitung der
Radabstellanlagen im Umfeld das Angebot insgesamt
verbessert.
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