Mehr als Tourismus
Radverkehrsförderung im ländlichen Raum

Einführung
Diese Publikation beschäftigt sich mit der Radverkehrsförderung im ländlichen Raum. Sie kann jedoch nicht alle Aspekte behandeln, da es innerhalb der Raumkategorie „Ländlicher Raum“ große regionale Unterschiede gibt, auf die im Einzelnen nicht immer eingegangen werden wird.
Perspektivisch wird davon ausgegangen, dass einige große Städte weiter wachsen werden, während die Bevölkerungszahl im ländlichen Raum angesichts des demographischen Wandels in weiten Teilen weiter abnehmen und das Durchschnittsalter dort steigen wird. Alle Prognosen gehen davon aus, dass sich diese Tendenz in den nächsten Jahrzehnten noch weiter fortsetzen und verstärken wird. Gegenwärtig sind von diesen Entwicklungen insbesondere periphere Räume betroffen. Dabei existieren aber auch Unterschiede in den Verdichtungsregionen, wo Schrumpfung, aber auch Wachstum zu verzeichnen ist.
Diese Struktur- und Bevölkerungsentwicklung stellt die unterschiedlichen ländlichen Räume mit ihren Klein- und Mittelstädten vor große Herausforderungen – insbesondere im Bereich Verkehr und Mobilität. Den Bewohnerinnen und Bewohnern mangelt es in vielen Regionen einerseits an alternativen Angeboten. Gleichzeitig sehen viele Autofahrende es als unbequem an, die Wege im Alltagsverkehr mit einem anderen Verkehrsmittel zurückzulegen.
Die Zahlen der Studie Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) bestätigen diese Aussagen. Das eigene Auto ist das Verkehrsmittel der Wahl, was auch am Modal-Split-Anteil von 46% in den ländlichen Kreisen abzulesen ist. Sechs von zehn Wegen und acht von zehn Kilometern entfallen auf das Auto. Die folgende Übersicht stellt den Modal Split im Jahresvergleich 2002 und 2008 und nach Gebietstypen dar.
Der durchschnittlich zurückgelegte Weg mit dem Pkw ist 15 Kilometer, der durchschnittliche Fußweg zwei und der mit dem Rad durchschnittlich zurückgelegte Weg vier Kilometer lang (MiD 2008). Ab einer Wegelänge von fünf Kilometern geht die Radnutzung allerdings in allen Räumen deutlich zurück, wie dies auch an der folgenden Abbildung abzulesen ist.
Das Fahrrad kann im ländlichen Raum eine große traditionelle Bedeutung im Alltagsverkehr haben – und das über alle Altersgruppen hinweg –, insbesondere für diejenigen, die kein Auto haben (Ahrend/Herget 2012, BMVBS 2012). Und trotzdem: 50% aller Wege, die im ländlichen Raum mit dem Auto zurückgelegt werden, sind kürzer als fünf Kilometer. Dabei sind 75% aller Wege innerörtlich (Ahrens 2011).
Um den Radverkehr in ländlichen Räumen zu fördern, stehen andere Herausforderungen im Vordergrund als in den Verdichtungsräumen. Es geht beispielsweise um hohe innerörtliche Kfz-Belastungen der Ortsdurchfahrten oder fehlende überörtliche und dementsprechend sichere Radverkehrsverbindungen. Der öffentliche Nahverkehr (ÖV) gilt in erster Linie als Beförderungsmittel für Schülerinnen und Schüler und ist fahrplanmäßig – zumindest im Busbereich – dementsprechend ausgerichtet, d.h. mit stark vermindertem Angebot an Wochenenden und in den Schulferien. Ein darüber hinausgehendes Angebot wird durch die Aufgabenträger oft wegen der knappen Haushaltsmittel nicht finanziert und ist daher vielfach nur mäßig attraktiv oder flexibel genug für die Mobilitätsansprüche der ländlichen Bevölkerung. Umso mehr wird das Fahrrad zur Mobilitätssicherung relevant.
Mittlerweile leben in Deutschland weniger als 30% der Bevölkerung im ländlichen Raum. Die folgende Abbildung stellt dies anhand von Zahlen dar.
|
Kreisfreie Großstädte |
Städtische Kreise |
Ländliche Kreise mit Verdichtungs-ansätzen |
Dünn besiedelte ländliche Kreise |
Anzahl Kreise |
67 |
137 |
101 |
97 |
Bevölkerung (Mio., gerundet) |
23,2 |
31,8 |
13,8 |
11,8 |
Fläche (km2) |
12,2 |
103,8 |
101,8 |
139,4 |
Quelle: Eigene Darstellung nach BBSR 2012, Stand 31.12.2012.
Radverkehrsmobilität älterer Menschen im ländlichen Raum
Zwei besonders markante Auswirkungen des demographischen Wandels auf weite Teile im ländlichen Raum sind der Bevölkerungsrückgang durch geringe Geburtenzahlen und Wegzug sowie der hohe Altenanteil. Mit zunehmendem Lebensalter sind ältere Menschen eher nahraumorientiert und häufiger zu Fuß unterwegs. Die Herausforderung für diese Räume ist, die Mobilitätsangebote auf die Anforderungen der alternden Gesellschaft anzupassen.
Da es aufgrund des Bevölkerungsrückgangs zu einer Reduzierung von sozialer Infrastruktur und der Nahraumversorgung und zur Konzentration an zentralen Orten bzw. Standorten mit Fokus auf den Autoverkehr kommt, ist die eigenständige Mobilität älterer Menschen auf dem Land auf Alternativen zum Zu-Fuß-Gehen angewiesen, andererseits ist die Fahrradnutzung durch Distanzverlängerungen zunehmend eingeschränkt. So zeigt eine Befragung älterer Fahrradnutzerinnen und -nutzer in Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, dass die traditionell starke Fahrradnutzung in dörflichen Strukturen (unter 3.000 EW) deutlich geringer ist als in Klein- und Mittelstädten (Burmeister 2007).
Das Pedelec ist eine gute Möglichkeit, die langjährigen Mobilitätsmuster mit weiten Strecken auf dem Land mit wenig Kraftanstrengung bis ins hohe Alter beizubehalten – soweit es die sicheren Abstellmöglichkeiten zuhause erlauben, in Zukunft auch vermehrt für elektrounterstützte Dreiräder.
Potenziale für den Alltags- und touristischen Radverkehr
Um den Radverkehr im ländlichen Raum zu fördern, sollten die vorhandenen Potenziale insbesondere im Nahbereich verstärkt genutzt werden. Eine weitere Chance kann dabei der in der Wahrnehmung deutlich gestiegene Pedelec-Anteil in Kleinstädten und ländlichen Räumen sein. Dabei sind es gar nicht mehr nur die älteren Menschen, die sich ein Pedelec anschaffen, sondern durchaus auch die jüngeren, die den großen Vorteil des Pedelecs – schnellere Überwindung größerer Distanzen – für sich entdeckt haben.
Alltagsradverkehr
Alltags- und Freizeitradfahrer nutzen in den ländlichen Räumen überwiegend die gleichen Verbindungen. Eine Verbesserung der Radwege und im Ergebnis der Wegebeziehungen kommt daher immer beiden Zielgruppen zugute. Trotzdem ist der Anspruch ein anderer: Während Alltagsradler direkte Wege benötigen, um schnell an ihr Ziel zu kommen, geht es dem Freizeitradler mehr um das Erlebnis und weniger um Zeit. Sicherheit ist allerdings für beide Zielgruppen sehr wichtig.
Direkte und sichere Verbindungen zu wichtigen Orten in der Stadt oder Nachbarstädten bilden die Grundlage für einen funktionierenden Alltagsradverkehr in den ländlichen Räumen. Daher ist es notwendig, wichtige Quell- und Zielpunkte zu analysieren und sie auf direktem Wege miteinander zu verbinden. In dem Zusammenhang geht es aber nicht nur darum, ausschließlich Radwegebeziehungen an oder auf Straßen in die Netzbetrachtung mit einzubeziehen. Auch land- oder forstwirtschaftliche und touristische Wege sowie wenig befahrene Straßen sollten integriert werden. Als wesentlich gilt aber der Zeitfaktor: Alltagsradler mit dem Ziel Schule oder Arbeit sind umwegeempfindlich! In dem Fall nützen landschaftlich attraktive, aber nicht alltagstaugliche Freizeitnetze wenig.
Innerörtlicher Radverkehr
Um den Anteil des innerörtlichen Radverkehrs in den Städten und Gemeinden des ländlichen Raumes zu steigern, gilt es, den Radverkehr in diesem Bereich der Nahmobilität zu stärken. Die positiven Auswirkungen einer Steigerung des Radverkehrsanteils insgesamt sind vielfältig. Um nur einige zu nennen:
- Steigerung der Lebens- und Aufenthaltsqualität
- Steigerung der Verkehrssicherheit
- Unabhängige Mobilität von Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen
- Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastungen
Je besser die Bedingungen für den Radverkehr innerorts sind, desto eher sind die Menschen bereit, ihr Fahrrad statt das Auto zu nutzen. Sicher und komfortabel – das sind oft die Ansprüche der Radfahrer, um direkt und ohne Umwege zwischen Quell- und Zielorten fahren zu können. Die Erhebung der Quell- und Zielorte und die entsprechend sichere Ausgestaltung der Strecken, auf denen besonders viel gefahren wird, sind wichtige Einzelmaßnahmen für die Stärkung des innerörtlichen Radverkehrs. Wichtige Basisverbindungen für den Radverkehr in Klein- und Mittelstädten sind die zwischen den Wohngebieten und dem Zentrum, dem Bahnhof und den Schulen sowie weiteren wichtigen Einrichtungen wie bspw. großen Arbeitsstätten.
Im Mittelpunkt der Verkehrsprobleme stehen die Ortsdurchfahrten, auf die die kommunale Ebene bei Baulast in Bundes- oder Landeshand oft nur begrenzten Einfluss hat. Enge kombinierte Fuß-/Radwege der Vergangenheit sind oftmals nicht sachgerecht. Hier besteht ein mittelfristiger Umgestaltungsbedarf in Verbindung mit moderaten Fahrgeschwindigkeiten.
Radverkehr außerorts – auch als Verbindungsfunktion
Bei der Radverkehrsförderung in den Städten und Gemeinden des ländlichen Raumes geht es nicht nur um die Herstellung eines sicheren innerörtlichen, sondern auch eines Radwegenetzes außerorts bzw. zwischen weit auseinanderliegenden Ortsteilen, um Schulen oder den nächsten Bahnhof zu erreichen. Diese überörtlichen direkten Verbindungen sind wichtig, um Ortsteile oder Nachbarstädte im Alltag ohne Umwege und vor allem sicher erreichen zu können. Mit dem Pkw ist dies meistens über eine entsprechend ausgebaute Straße schnell zu realisieren. Den Radfahrern und Fußgängern dagegen werden an dieser Stelle häufig keine schnellen und/oder sicheren Wege angeboten. Die Geschwindigkeiten der Pkw mit eventuell gleichzeitig viel zu engen Überholvorgängen halten viele Menschen verständlicherweise davon ab, hier Fahrrad zu fahren. Sicheres Radfahren sollte aber insbesondere dort gewährleistet sein, wo Außerortsstraßen eine direkte Verbindung zwischen Orten darstellen. Die Ausstattung mit straßenbegleitenden Radwegen an Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen ist in Deutschland von Region zu Region unterschiedlich. Vor allem in Ostdeutschland und in den durch Mittelgebirge geprägten Bundesländern besteht Nachholbedarf, norddeutsche Bundesländer dagegen haben sich verstärkt um den Bau straßenbegleitender Radwege gekümmert (Difu 2012).
Gerade im Kreisstraßennetz und im ortsverbindenden Gemeindestraßennetz kann dieser Bau einfach aus finanziellen, aber auch technischen oder umweltrechtlichen Gründen nicht realisiert werden. Bei der aktuellen finanziellen Haushaltssituation wird es wahrscheinlich noch lange dauern, bis straßenbegleitende Radwege einen sicheren und lückenlosen Radverkehr ermöglichen.
Intermodalität stärken – Verknüpfung ÖV und Fahrrad
Wie eingangs dargestellt, wird ein Großteil der Wege in den ländlichen Räumen mit dem Auto zurückgelegt. Der Radverkehrsanteil ist somit durch die Distanzverlängerung in Folge der Konzentration bei Versorgung und Infrastruktur auch weiterhin bedroht. Um den Fahrradverkehr aber in Klein- und Mittelstädten sowie in den ländlichen Räumen insgesamt auch über weite Wege zu stärken, werden attraktive Angebote zur Verknüpfung des Fahrrades mit dem öffentlichen Verkehr benötigt: Einfache Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln und entsprechende Abstellanlagen an Haltepunkten sind dabei nur zwei wesentliche Anforderungen, um die Voraussetzung für gute intermodale Wegeketten zu schaffen. Ziel ist, dass ÖV und Fahrrad langfristig voneinander profitieren können.
Die repräsentative Online‐Befragung „Fahrrad-Monitor Deutschland 2013“ hat erhoben, dass 14% der Befragten auf dem Land mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. 27% gaben an, auf ihren Wegen intermodal unterwegs zu sein, also Fahrrad und ÖV miteinander zu verknüpfen. Dieses Zubringerpotenzial des Fahrrades zum ÖV sollte verstärkt genutzt werden.
Das Hauptargument in den ländlichen Räumen gegen die Fahrradnutzung als Verkehrsmittel zur Arbeit oder Schule lautet schlichtweg „zu weit“.
An diesem Punkt kann eine sinnvolle Verknüpfung des Radverkehrs mit dem ÖV das Argument „zu weit“ aushebeln. Um dies realisieren zu können, sollten die Kommunen gemeinsam mit den Aufgabenträgern des ÖV sowie den Verkehrsunternehmen selber möglichst optimale Bedingungen für durchgängige Mobilitätsketten schaffen sowie verkehrsträgerübergreifende Mobilitätsangebote entwickeln und vermarkten (Nationaler Radverkehrsplan 2020).

Ein besonders wichtiges Glied in der intermodalen Kette sind überdachte, sichere und zugängliche Fahrradabstellanlagen an den Haltestellen und Bahnhöfen des öffentlichen Nahverkehrs, sodass auch Besitzer hochwertiger Fahrräder diese sicher abgestellt wissen. Für fast die Hälfte der Befragten des Fahrrad-Monitors 2013 (46%) sind geeignete Abstellmöglichkeiten an Straßen oder wichtigen Zielen besonders bedeutend.
Zu berücksichtigen sind bei der Errichtung der Anlagen insbesondere entsprechende Abstellmöglichkeiten, um hochwertige Fahrräder und Pedelecs sicher abstellen zu können. Dies ist insofern wichtig, als dass Pedelecs insbesondere in den ländlichen Räumen ein hohes Potenzial für eine Verlängerung der Wege und damit für eine Stärkung des Radverkehrs darstellen. Gerade in prosperierenden ländlichen Regionen gibt es zunehmend Nachwuchsprobleme in der lokalen Wirtschaft. Mobilitätsmanagement für den Arbeitsweg Jüngerer ohne Pkw-Verfügbarkeit mithilfe von ÖV und Fahrrad, z.B. durch ein Fahrrad-/Pedelecangebot am zentralen Busbahnhof (ZOB) für die letzte Meile zum Arbeitsplatz im peripheren Gewerbegebiet, kann Nachwuchsmangel bekämpfen helfen.
Dazu passend und für die Erstellung eines Bike+Ride-Konzeptes nützlich, gibt die folgende Abbildung einen guten Überblick, wie Fahrräder und insbesondere auch Pedelecs den Einzugsbereich von Haltestellen gegenüber Fußgängern erweitern können. Bei einer notwendigen Abwägung, welche Haltestellen mit welchen Abstellanlagen ausgestattet werden sollen – Berücksichtigung anliegender Wohngebiete etc. –, kann eine Visualisierung der Einzugsbereiche um die Haltestellen durchaus angebracht sein.
Touristischer Radverkehr
Das Naturerlebnis ist es, was viele Menschen mit einer Radtour auf dem Land verbinden: raus aus der Stadt und rein in die Natur, Ruhe erfahren. Landschaftlich attraktive Radrouten werden häufig abseits des Kraftfahrzeugverkehrs geführt und verlaufen über sogenannte öffentliche Wege. Damit sind beispielsweise land- und forstwirtschaftliche Wege oder auch wasserwirtschaftliche Betriebswege gemeint.
Für die jeweilige Reiseregion ist der wirtschaftliche Effekt der Radausflügler oder auch der Radurlauber nicht unerheblich. Im Rahmen der Radverkehrsanalyse Brandenburg zum Beispiel wurden im Jahr 2012 die Ausgaben der Rad- und Tagesreisenden durch Befragungen an den Radwegen im Land erhoben. Radreisende im Land Brandenburg gaben an, durchschnittlich 36 Euro am Tag auszugeben plus 31 Euro für die Übernachtung, also insgesamt 67 Euro. Tagesreisende geben durchschnittlich 22,85 Euro während ihres Ausflugs aus (Tiffe, Vieten 2012). Dieses Ergebnis gilt auch bundesweit, so hat der Deutsche Tourismusverband in einer Grundlagenlagenuntersuchung bereits 2009 die vom Fahrradtourismus am meisten profitierenden Branchen herauskristallisiert (DTV et al. 2009).
Die wirtschaftliche Wertschöpfung des Radtourismus ist also nicht unerheblich. Viele ländliche Regionen haben diesen Effekt schon lange für sich entdeckt und vermarkten sich als Radreiseregion. Oftmals können sich die Radreisenden über eine Internetplattform über Anreise, verschiedene Radtourenvorschläge im Gebiet sowie Übernachtungsmöglichkeiten informieren.
Ein Beschluss des Deutschen Bundestages auf Antrag von CDU und FDP vom 18.4.2013 stärkt die Förderung des Tourismus in den ländlichen Räumen. Die Bedeutung des Fahrradtourismus für die touristische Entwicklung ländlicher Regionen wird hier besonders herausgestellt. Laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) arbeiten rund 2,9 Mio. Menschen – das sind sieben Prozent aller Erwerbstätigen – im Tourismus. Dem Fahrradtourismus können hiervon rund zehn Prozent zugeschrieben werden, so der ADFC. Die ADFC-Zertifizierung Bett&Bike sowie dessen Klassifizierung von Radfernwegen eröffnen dem Tourismus auf dem Land weitere Chancen.
Um den Fahrradtourismus in den ländlichen Räumen weiter zu stärken, auszubauen und dadurch auch Impulse für den Alltagsradverkehr setzen zu können, sollte das Fahrrad in die touristische Mobilitätskette integriert werden. Dabei geht es auch beim touristischen Radverkehr um sinnvolle Mitnahmemöglichkeiten im ÖV bzw. die entsprechende Erreichbarkeit der radtouristischen Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die Rolle der Landkreise bei der Radverkehrsförderung
Die Landkreise können zentrale Akteure in der Radverkehrsförderung sein. Insbesondere als Koordinatoren, fachliche Berater und Ansprechpartner für Finanzierung und Zuwendungsanträge können sie ihre Gemeinden bei der Planung und Umsetzung von Radverkehrsmaßnahmen unterstützen. Dadurch ergeben sich vielfältige Handlungsmöglichkeiten, um als Landkreis aktiv eine kreisweite Radverkehrsförderung zu unterstützen (BMVBS 2012).
Besonders wichtig ist dabei die Kommunikation mit den Städten und Gemeinden im Landkreis, regelmäßige und kontinuierliche Treffen sind unerlässlich. Grundlage für das Handeln kann dabei ein kreisweites Radwege- oder Radverkehrskonzept sein, das mit Beteiligung der kreisangehörigen Kommunen gemeinsam aufgestellt werden sollte.
Die Radverkehrskonzeption des Landkreises Göppingen
Im Juli 2011 wurde die Radverkehrskonzeption des Landkreises Göppingen einstimmig vom Kreistag beschlossen, nachdem zwei Jahre intensiv mit Kommunen, Fachbehörden, Verbänden, Nachbarlandkreisen sowie Politikern gearbeitet, geplant und diskutiert worden war. Das aufgestellte Konzept umfasst ein Netz von 830 km Länge, das zu 80% den Anforderungen der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen entspricht. Die übrigen 20% des Netzes wurden in ein 466 Einzelmaßnahmen umfassendes Infrastrukturkonzept überführt. Der Landkreis investiert seit dem Jahr 2012 jährlich zusätzlich 100.000 Euro in die Radverkehrsinfrastruktur bzw. in das Maßnahmenbündel. 50.000 Euro entfallen dabei auf das Förderprogramm des Landkreises, das Maßnahmen zur Verbesserung der Radwegeinfrastruktur der Kommunen mit einem Drittel fördert. Darunter fallen auch Radverkehrsmaßnahmen, die in kommunalen Radkonzepten hinterlegt sind, sowie Beschilderungsmaßnahmen.
Am 3. Mai 2014 wurde der Landkreis Göppingen als erster Landkreis in Baden-Württemberg als "Fahrradfreundlicher Landkreis" ausgezeichnet. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte sich der Kreis seit 2010 neben dem Infrastrukturausbau insbesondere mit drei Themen der Radverkehrsförderung beschäftigt: Perspektiven des Fahrradtourismus, Förderung des sicheren Radfahrens im Alltag sowie die Verknüpfung des Fahrrads mit dem ÖPNV. Die Kommission, die 2013 den Landkreis per Fahrrad erkundet hat, bestätigte und würdigte die Bemühungen und Projekte der Landkreisverwaltung. Dabei setzt der Kreis gemeinsam mit den Kommunen auf einen stetigen Ausbau der Infrastruktur sowie Informations- und Kommunikationskampagnen rund um das Thema Fahrrad.
Kontakt:
Jörg-Michael Wienecke
Landratsamt Göppingen
Amt für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur, Amtsleiter
Lorcher Str. 6
73033 Göppingen
Tel. 07161/202301
Fax 07161/202353
E-Mail: j.wienecke@landkreis-goeppingen.de
Zusammenfassung und Ausblick
Ländliche Räume und Radverkehr sollten nicht länger als Widerspruch gesehen werden. Es gibt viele gute Beispiele, die deutlich machen, dass Radverkehr auch bei Alltagswegen in oftmals autooptimierten ländlichen Räumen funktionieren kann. Allerdings braucht es dafür eine sichere Infrastruktur sowie eine sinnvolle Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln. Wichtig ist dabei die gemeinsame Betrachtung und Planung des Alltags- mit dem touristischen Radverkehr.
Angesichts der Distanzverlängerung bei den Alltagszielen, zunehmenden Alters in den ländlichen Räumen und steigenden Energiepreisen für die Raumüberwindung darf Radverkehrspolitik nicht alleine stehen, sondern erfordert einen ressortübergreifenden Ansatz von Raumordnungs-, Verkehrs- und Umweltpolitik. Radverkehrsförderung in Deutschland kann insgesamt nur dann erfolgreich sein, wenn das Fahrrad auch im ländlichen Raum eine stärkere Bedeutung bekommt. Geschieht dies in den ländlichen Regionen nicht, wird es schwierig, die im bundesweiten Schnitt erhofften 15% Radverkehrsanteil am Ende der NRVP-Laufzeit im Jahr 2020 zu erreichen.
Literatur
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